Tabellarische Übersicht, erstellt von Peter Bach
Quellen: Pohl/Mölich, Das Rechtsrheinische Köln, 1994 und Ludger Reiberg, Soziale Lage in Mülheim, 1979 und Die Sozialtopographie Mülheims, 1981, 1982
1098 | Erstmalige Erwähnung des Ortes »Mulenheym« in einer Urkunde des Kölner Erzbischofs Herrmann von Köln (andere sagen 1116) besonders wegen der Mühlen am Unterlauf des Strunderbaches Bedeutung hat der Ort durch seine Lage an den Fernhandelsstraßen in Nord-Süd-Richtung (Arnheim, Wesel, Duisburg, Mülheim nach Siegen und Frankfurt, Nordost-Ost-West-Richtung (Wermelskirchen, Dortmund Münster; Kassel Halle Leipzig, die auch Köln mit dem Norden und Osten verbanden. | |
1250 | Herausgehobener Gerichtshof, später Standort für das Obergericht des südlichen Teils des Gebiets der Grafen von Berg. Um diese Zeit Mülheim als Fährstelle. | |
1255 |
Graf Adolf IV. begann mit der Errichtung von Wällen und Ringmauern. Die Einwohner erhielten das Bewaffnungsrecht. |
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Nov. 1286 |
Köln läßt nach einem kriegerischen Konflikt die Ringmauern niederlegen und Graf Adolf IV. muss eine verbindliche Zusicherung geben, keine Befestigungsanlagen mehr zu errichten. |
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1288 | die Wirren nach der Schlacht bei Worringen nutzt Graf Adolf von Berg aus, um eine neue Befestigungsanlage zu beginnen. | |
07.03.1322 | Mülheim erhält die Stadtrechte durch Graf Adolf VI. von Berg. Sie umfassen die Freiheit von Abgaben und Diensten, das Recht, Schöffen an das Bergische Obergericht zu senden und das Privileg eines eigenen Gerichts zur Klärung von einfachen Tatbeständen. In dieser Zeit wird Mülheim auch zur hervorgehobenen Münzstätte des bergischen Gebiets erhoben. | |
1371 | In der sog. »Bürgervereinigung« ist niedergelegt, dass Mülheim einen Bürgermeister hat und neun Geschworene, die die Verwaltung der Stadt innehaben. Der Bürgermeister wird jährlich, die Geschworenen werden auf Lebenszeit gewählt. | |
1399 | Im Verlauf von Streitigkeiten zwischen den Grafen von Mark und Berg wird Mülheim geplündert und niedergebrannt. | |
1413 | 1 % der Mülheimer Bevölkerung sind wohlhabend, 25 % Tagelöhner und Arme (dagegen sind in Köln 5 % Tagelöhner und 3 % Arme Σ 8%) Einrichtung von Häusern der Armenfürsorge: Das »Hospital“« und drei Häuser am Kohlplatz. | |
1414 | Adolf lässt Mülheim erneut befestigen. | |
1417 | beschließt das Konstanzer Konzil auf Antrag Kölns, die Befestigungsanlagen Mülheims durch die Stadt Köln zerstören zu lassen, was mehrere hundert Handwerker seit Juni in die Tat umsetzen. | |
1575 | Mülheim erhält das Siegel: ein Mülheimer Schiff mit einem bergischen Löwen am Ruder und einem Schiffer auf dem Vorschiff. | |
1588 –1592 | Erneute Errichtung von Befestigungsanlagen durch den Herzog von Berg | |
1610 | zügiger Ausbau Mülheims. Der Handel konzentriert sich auf die Versorgung von Köln mit Rohprodukten aus dem Bergischen und mit Nahrungsmitteln wie Fisch (wegen neuer Konservierungsmethoden auch aus der Ostsee), Getreide, Wein und Schlachtvieh. Aus dem Eichenholz der Bergischen Wälder wurden Eichenfässer hergestellt. Das Mülheimer Gewerbe konzentrierte sich auf Schiffer, Handelsleute, Fassbinder, Weber, Müller und Lohgerber. | |
23.03.1612 | Alle Christen aller Konfessionen wurden aufgerufen, sich in Mülheim niederzulassen. Sie erhielten: Das Bürgerrecht auf 10 Jahre, Anteil an Privilegien der Stadt, das Recht freier Religionsausübung, Zoll- und Abgabefreiheit für die zum Bau wichtigen Materialien, landesherrlichen Schutz und Vorkaufsrecht für wichtige Lebensmittel. Infolge dieser attraktiven Bevölkerungspolitik ging es mit Mülheim steil aufwärts – besonders neben diesem schwarzen Köln. | |
1614 | Köln bewirkt die Entscheidung des Reichskammergerichts und des Kaisers zur Einstellung der Befestigungsbauten. Als sich die Fürsten nicht fügten, bediente sich Köln spanischer Truppen aus den Niederlanden. | |
Sept. 1614 | Unter dem Heerführer Ambrosio Spinola werden 550 Soldaten nach Mülheim geschickt, die gemeinsam mit Hilfstruppen die Befestigungsanlagen zerstören. Aber damit nicht genug: | |
13.04.1615 | erwirkt die Stadt Köln den Beschluss des Kaisers über die Zerstörung der übrigen Gebäude der Stadt. Die Protestanten in Mülheim wurden als Bedrohung für die Stadt Köln hingestellt. | |
30.09. – 03.10.1615 |
legen etwa 500 Kölner Handwerker die etwa 200 Bauten der Neustadt und große Teile der Altstadt in Schutt und Asche. Mülheim hat den marodierenden Truppen während des 30-jährigen Krieges nun nichts entgegenzusetzen und wird mehrfach überfallen und zerstört. |
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1623 | Gibt es Überlegungen im Rat von Mülheim, die Stadt als Siedlungsgebiet völlig aufzugeben. | |
1652 | Mülheim erhält vom Herzog Wolfgang Wilhelm das Recht, jährlich drei Märkte abzuhalten – ein Zeichen der Aufwärtsentwicklung der Stadt. | |
1678 | Mülheim hat ca. 1.000 Einwohner (Köln 40.000) und ca. 243 Gebäude. | ca. 1.000 Einwohner |
1700– 1770 |
Zeitalter des Merkantilismus | |
1714 | Der Erlass der »Beisassenordnung« durch die Stadt Köln veranlasst neun bedeutende protestantische Kaufleute von Köln nach Mülheim überzusiedeln. (Dekret des Kurfürsten Johann Wilhelm vom 18.6.1714) Darunter Christoph Andreae (Tuchhandel), Daniel Noel (Kupferhandel) und Gothard Mühling (Tuchhandel), Platzmann, Köster, Stock (Speditionen) Viebahn (Eisenhandel), H. Bröckelmann, H. C. Bröckelmann und de Haan (Holzhandel, Seifensiederei). Ihre Ankunft sprengt den ländlich dörflichen Charakter von Mülheim. Die Mülheimer Handwerksbetriebe wehren sich gegen das »Eindringen des gewerblichen Großkapitals«. | |
1713 (?) | Die Fabrik Mühling beschäftigt schon 400 Menschen. | |
1750 | Firma Steinkauler 440 Arbeiter; Firma Andreae 1200 Beschäftigte (davon 300 aus Mülheim und den Rest Heimarbeiter mit einem Webstuhl in bis zu 10 Stunden Umgebung. |
1.800 Einwohner, 81 Arme |
1744 | Neben den alten Zünften Bäcker, Metzger (die zuweilen auch die Chirurgen waren), Zimmerern und Schmieden tauchen auch Handschuh-, Perücken- und Hutmacher, sowie Zinngießer und Zuckerbäcker auf – eine Entwicklungslinie zu einer verfeinerten Arbeitsteilung und die ersten Ladengeschäfte sind Zeichen für den Übergang des Handwerks vom reinen Lohngewerbe zur Warenherstellung auf Vorrat. | |
1769 | Schmähschrift gegen Andreae: Die Fabrikarbeiter würden bald angenommen und bald entlassen und schlügen sich dann mit Betrügereien durch; die nächtliche Unsicherheit nähme zu; Frauen und Kinder der verstorbenen Arbeiter fielen dem Hospital zu Last. |
Andreae 500 Beschäftigte, Umsatz 28.500 Reichstaler |
Feb. 1784 | Die große Eisflut vernichtet mehr als ein Drittel der Mülheimer Häuser. Während die Fabrikanlagen durch Zuschüsse des Landesherrn schnell wieder hergerichtet werden konnten, war für viele Kleineigentümer und Handwerker der soziale Abstieg die Folge der Flutkatastrophe, weil sie aus eigenen Kraft keine Neubauten errichten konnten. |
Andreae 1.500 Beschäftigte, Umsatz 73.500 Reichstaler. |
15.06.1785 | Kurfürst Karl Theodor genehmigt einen neuen Verfassungsentwurf für Mülheim nach dem ein zweiter. Bürgermeister und die Hälfte (?) der sieben Beisitzer evangelisch zu sein hatten. | 1.500 Einw. (nach Reiberg 2.806) |
1795 – 1801 |
Besetzung Mülheims durch französische Revolutionstruppen. | 3.063 Einwohner, (Köln 44.500) |
Durch die Zollgrenze verliert Mülheim mit Köln sein Hauptabsatzgebiet. Schmuggel entwickelt sich zu einem attraktiven Erwerbszweig. Als Folge gehen bis 1810 die drei größten Handelshäuser und alle Tabakspinnereien Konkurs. 400 Erwachsene und Kinder werden arbeitslos. | ||
1800 |
Aufgrund einer Steuererhebung ergibt sich, dass 66 % aller Einwohner im produktiven Gewerbe beschäftigt sind, 86.5 % der Unterschicht zuzurechnen sind und 78 % des Steueraufkommens von 3,1 % der Einwohner aufgebracht wird (Allein Andreae und Steinkauler bringen ein Drittel der Gewerbesteuer). Die Zahl der Textilbetriebe hat sich von 13 im Jahre 1750 auf vier im Jahr 1800 verringert. Bis auf die große Manufaktur von Andreae befanden sich alle Betriebe an der Freiheit. Neu hinzu kommen zwei lederverarbeitende Betriebe, Tabaksspinnereien (?) und Brandweinbrennereien. Daneben bestanden weiter die zünftisch organisierten Handwerksbetriebe der Bäcker, Metzger (die zuweilen auch die Chirurgen waren), Zimmerer und Schmiede. |
2.800 Einw. (nach Reiberg 2.985), 40 Arme (Mülheim 2 %, Köln > 20 %!) Die Mülheimer haben die Armen über die bergische Landesgrenze abgeschoben, wenn es dem Grafen von Berg zuviel wurden Andreae 2.000 Beschäftigte Umsatz 98.000 Reichstaler. |
1806 | Mülheim gehört zum Großherzogtum Berg, das einem Schwager Napoleons übergeben worden war. | Nach Reiberg 3.028 Einwohner |
1808 | Die französische Mairieverfassung wird in Mülheim eingeführt (5.11.1808 Besuch Napoleons in Mülheim) | |
Nov. 1813 | Einmarsch russischer Truppen in der Stadt. | |
1814 | Anerkennung Mülheims als selbständige Stadt durch Preußen | |
April 1815 |
Aufgrund einer Entscheidung des Wiener Kongresses fällt Mülheim an Preußen. | 3.593 Einwohner |
Im Unterschied zu den Festungsstädten Köln und Deutz konnte Mülheim sich räumlich schnell ausdehnen und bot genügend Ansiedlungsmöglichkeiten für neue Industrien (z. B. die Drahtseilfabrik Felten & Guilleaume) | ||
1850 | Mülheim hat 6.000 Einwohner (Köln 100.000) Die Zahl der Wirtschaften stieg von 1819 – 1850 um 300 % | 6.000 Einwohner |
1839 – 1845 | Bau der Köln-Aachener und der Deutz-Minden-Berliner Eisenbahn | |
1853 |
Betriebsgröße: > 500 1 Textilbetrieb 970 Beschäftigte |
2.661 Beschäftigte; 1.852 im Sekundären Sektor (Verarbeitung); 44 % Fabrikarbeiter; 31 % Tagelöhner + Gehilfen; 22 % Kleinbürger (Handwerker, Kleinhändler, öffentl. Angest.); 1,6 % Beamte, Kaufleute, Fabrikanten |
1856 – 1874 |
Anlage dreier weiterer Eisenbahnlinien (Σ 5). Parallel dazu die erste Phase der Industrialisierung – vornehmlich kleiner, rasch expandierender Betriebe der chemischen Industrie (Bergmann & Simons, Lindgens & Söhne, 1875 Dr. Koll & Spitz, Rasquin und die metallverarbeitenden Betriebe Zypen & Charlier sowie die Gasmotorenfabrik Deutz). |
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1870 |
Die soziale Situation ist gekennzeichnet durch Kinderarbeit der 6 bis 12-jährigen und ein normaler Erwachsenenarbeitstag von 15 bis 16 Stunden an sechs Tagen der Woche. |
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1874 |
Ansiedlung von F & G; wächst in 25 Jahren um 3.000 %. Als Folge |
1875 160 Beschäftigte, 1900 4.800 Beschäftigte |
1900 |
Mülheim hat 45.000 Einwohner (Köln 372.000) |
45.000 Einwohner 1.302 Arme (~ 3 %), 2.581 Wohnhäuser |
01.04.1914 |
Eingemeindung von Mülheim nach Köln: Aufgabe der Selbständigkeit für eine Brücke, eine Straßenbahn, zwei Schulen und den Ausbau Kanalisation und der Eisenbahn (zur Entlastung: Mehrheim und Kalk waren schon übergelaufen) |
56.000 Einw. |
Jahr | Einwohnerzahlen Köln | Stadtgebiet | Vgl. Mülheim |
50 – 350 | ca. 50.000 | 97 ha | |
1200 | ca. 20.000 | 400 ha | |
1450 | ca. 40.000 | ||
1500 | ca. 45.000 | ||
1600 | ca. 40.000 | ||
1700 | ca. 40.000 | 770 ha | 1.000 Einw. |
1794 | 44.500 | 3.063 Einw. | |
1816 | 49.300 | ||
1820 | 55.000 | ||
1840 | 75.900 | ||
1852 | 101.100 | 6.000 Einw. | |
1861 | 120.000 | ||
1880 | 144.800 | ab 1883 1.006 ha | |
1890 | 281.700 | ab 1888 11.133 ha | |
1900 | 372.500 | 45.000 Einw. | |
1910 | 516.000 | ab 1914 19.726 ha | |
1925 | 700.000 | ab 1922 25.113 ha | |
1939 | 772.000 | ||
1946 | 491.000 | ||
1960 | 773.000 |
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